27.06.2009

Junge Leute sollen Geschichte erleben

MULTIVISIONSSHOW

Niersteiner Realschüler beschäftigten sich mit deutsch-französischen Beziehungen
26.06.09 http://www.main-rheiner.de/region/objekt.php3?artikel_id=3807685
Beate Nietzel


Was haben "Fisimatenten" mit französischen Soldaten zu tun? Warum nannten viele Bauern einen grimmigen, scharfen Hofhund "Mélac", und welche Gemeinsamkeiten schließlich einten den ersten Kanzler der Bundesrepublik und den großen General der Grande Nation? Mit einer Multivisionsshow entführte Ingo Espenschied die Abschlussschüler aller zehnten Klasse der Carl-Zuckmayer-Realschule in die Geschichte der deutsch-französischen Beziehungen, die im historischen Gipfeltreffen von Konrad Adenauer und Charles de Gaulle im November 1958 in Bad Kreuznach und der darauf folgenden Unterzeichnung der Elysée-Verträge mündeten.
Nierstein war eine von zehn Stationen des Diplom-Politologen Espenschied. "Erfahrungen sammeln mit dieser Art von Vorträgen und den Schülern Geschichte lebendig und auch interaktiv nahe bringen" will der 40-Jährige, der mit der von der Konrad-Adenauer-Stiftung gesponserten Multivisionsreihe zum deutsch-französischen Verhältnis derzeit bei Schulen zu Gast ist. Auch in der Realschule kam diese Art von Geschichtsunterricht gut an.

Erzfeinde
Thematisch vorbereitet, konnten die Schüler die Fragen des Referenten beantworten: Dass 1789 die französische Revolution die ganze bis dahin herrschende Adelsherrschaft vom Sockel stieß und die Idee der bürgerlichen Regierung auch in die Besatzungsgebiete trug, dass Deutschland damals ein "Flickenteppich" aus Kleinstaaten war und der Zentralmacht Frankreich somit unterlegen. Schon von alters her habe das Gebiet am Mittelrhein zwischen Metz, Frankfurt und Straßburg eine große Rolle zwischen den beiden Staaten gespielt und mit Teilungen oder Besitzerwechsel immer wieder für Konflikte gesorgt, erläuterte Espenschied. Der pfälzische Erbfolgekrieg ausgangs des 17. Jahrhunderts, die französische Besatzung zum Ende des 18. und Beginn des 19. Jahrhunderts hätten das Bild vom "Erzfeind" verfestigt, das sich umkehrte im Blitzkrieg 1870/71, aus dem das Deutsche Reich einig und machtvoll hervorging.
Dieses Bild aus den Köpfen zu verbannen, machten sich zwei Männer auf, die sich menschlich und intellektuell auf einer Wellenlänge bewegten: Charles de Gaulle, der Deutsch sprach, in beiden Weltkriegen kämpfte, ins Exil ging - und Adenauer, der frühere Kölner Oberbürgermeister, den die Nationalsozialisten aus dem Amt fegten. Das Treffen in Bad Kreuznach "war die Mutter aller Gipfeltreffen", so Espenschied. Seitdem treffen sich die Staatschefs beider Länder zweimal jährlich, und andere Länder haben sich diesen Gipfel zum Vorbild genommen. Der 1963 geschlossene Elysée-Vertrag manifestierte die deutsch-französische Freundschaft und trug mit den verpflichtenden Konsultationen in allen wichtigen Fragen der Politik maßgeblich auch zur europäischen Einigung bei.

Besatzung
Übrigens: Jugendliche, die am heutigen Freitag ihren Realschulabschluss feiern, wissen jetzt, dass in den "Fisimatenten" das französische "Visitez ma tente" verballhornt wurde, mit dem die Besatzungssoldaten Anfang des 19. Jahrhunderts die deutschen Fräuleins in ihre Zelte zu locken versuchten. Und Mélac war einer der Generäle unter Ludwig XIV., der Ende des 17. Jahrhunderts weite Teile Südwestdeutschlands "platt gemacht hat", wie Ingo Espenschied es plakativ ausdrückte. Wegen der großen Brutalität, mit der seine Truppen vorgingen, wurde Mélacs Name in der Region zum Inbegriff für Mordbrennerei schlechthin.

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